Sonntag, 28. März 2010

Geschichte zum Wort "beiden"

"beiden"
(Anne Franks Tagebuch, Seite 37, Wort 17)

Die beiden Frauen standen neben einander, schwarze Mäntel um ihren Körper geschlungen. Die eine gross und aufrichtig, die andere schmächtig und zart. Die Kälte zwischen den beiden war greifbar. Pures Eis, das sie voneinander trennte. Und ein Grab vor ihnen, das seelenruhig in die Welt hinaussah.
„Hier sind wir.“ Die grössere Frau bändigte ihr gelocktes, zorniges Haar und lies beiläufig jenen Satz fallen.
Die kleinere nickte nur. „Hier sind wir wohl.“
„Hat es dich auch so erschüttert, dass sie gegangen ist?“
Die Antwort wurde ihr entgegengestossen wie ein spitzes Schwert.
„Im Gegensatz zu unserem Verhältnis war das meine zu unseren Eltern sehr gut.“
„Komm schon Emilie, sei nicht so grantig. Sie ist immerhin gestorben. Ma hätte nicht gewollt, dass wir uns an ihrem Grabe streiten.“
Emilie schüttelte den Kopf, eine Miene auf der Verachtung und Trauer sich um den Loge-Platz stritten.
„Lass mich einfach in Ruhe, Marianne.“
Marianne sah ihre kleine Schwester an. Sie schien plötzlich zu schrumpfen, ihre Grösse verschwand, ihr Blick wurde alt, Entschuldigungen klebten an ihm. Enttäuschung.
„Und du willst mir immer noch nicht vergeben? Nach all den Jahren?“
Emilies Blick war starr in die Ferne gerichtet, doch er wurde weicher. Schmirgelpapier des feinsten Grades. Doch sie musste noch ein bisschen weiter an dem Gewissen ihrer Schwester schleifen. Jeder will sich der Zuneigung sicher sein. Jeder sucht aufrichtige Geborgenheit. Und so schwieg Emilie.
„Es würde dir sicher gut tun, mich von neuem kennen zu lernen.“ Mariannes Stimme war flehend.
„Und was ist, wenn du dich nicht geändert hast? Wenn du mich wieder und wieder im Stich lassen wirst? Mir gegenüber unehrlich sein wirst? Was ist dann?“
„Ein Risiko muss man eingehen. Aber dass ich überhaupt hier bin, heisst doch schon viel, nicht?“
Und da hatte sie Recht. Emilie sah in Mariannes Augen, zum ersten Mal seit langem. Und sah was sie sehen musste. Ein Lächeln zerrte an ihren Lippen. Die beiden Schwestern fielen sich -


„Was schreibst du da?“
Emilie sah auf, die Feder verharrte wartend über dem Papier. Das Bild konnte widersprüchlicher nicht sein: Ein kleines Mädchen, die Haare straff nach hinten zu einem Pferdeschwanz gebunden sah zu ihrer grossen Schwester auf, die kaugummikauend sich durch ihres offene Haar fuhr, desinteressiert. Das Mädchen sah auf das Papier hinunter, auf das sich unbemerkt ein Tintentropfen niedergelassen hatte. Sie lächelte verträumt und sagte:
„Nur eine Geschichte.“
Und dann noch zur Tür, die schon lange ihre Schwester hinter sich zugeschlagen wurde:
„Eine Geschichte von uns beiden.“

Sonntag, 14. März 2010

Joker

Für diesen Blogeintrag, verwerte ich meinen Joker.

Sonntag, 7. März 2010

"Axolotl Roadkill"

„Axolotl Roadkill“ – hinter jenem Titel erwartet man vieles, aber nicht das: Mifti beschreibt, Slang vermischt mit hochgestochener Sprache um sich werfend, ihre Gesellschaft und lässt nichts aus, weder Bisexualität, noch Drogen. Zentrales Problem stellt hier ihre Mutter dar, von der aber in unserem Textstück nur vage die Rede gewesen war. Um ehrlich zu sein, ich habe mir mehr von dem Buch versprochen, wo es doch von der Presse in den höchsten Tönen gelobt worden ist. Die Geschichte inhaltlich fand ich spannend und anspruchsvoll.

Drogen und Sex. Ein Thema im Visier unserer Zeit. Viele Jugendliche kommen mit ihnen im Kontakt, wie Mifti. Gleich zu Beginn wird man in die Geschichte hineingezogen, ohne jegliche Orientierung und tastet sich langsam an das Leben Miftis heran. In verschiedenen geschickt verflechteten Situationen lernt man ihre Familie und ihre Drogenexzesse kennen. Manches wird nur sehr undeutlich erklärt, andere unwichtige Dinge werden in den Vordergrund gedrückt, ein Spiel, das eigentlich die Vorstellungskraft herausforden sollte.

Doch die Art, wie Helene Hegemann Mifti eine Stimme verleiht, zerstört für mich alles. Diese Jugendsprache, gemischt mit intelligent wirkenden Ausdrücke, zu ellenlangen Sätzen aufeinandergetürmt, verworren, das sollte vielleicht den Anschein geben, als wäre die Protagonistin von ihrer Umwelt „versaut“, aber doch blitzt ihre Intelligenz ab und zu durch. Doch für mich war das oft anekelnd, verwirrend und aufwühlend. Es wirkt für mich sehr kindisch, wobei ich aber bemerken muss, das es auch Passagen gibt, bei denen eine gewisse literarische Eleganz vorhanden ist. Jedoch würde ich nicht aus freien Stücken dieses Buch lesen. Auch nicht, da der Autorin verschiedene Arten des Plagiats vorgeworfen wurden, wie zum Beispiel Abschreiben ganzer Passagen eines Buches von einem Blogger. Nur schon wegen dem wirkt ihr Schreibstil sehr aufgesetzt und unehrlich. Mir ist natürlich bewusst, dass die Art, wie die Autorin schreibt, den Zustand Miftis besser präsentieren soll und das passt eigentlich auch recht gut, doch mir erscheint es schlichtwegs unlogisch, dass man ewig in jener „Mir-geht’s-scheisse-ich-bin-überhaupt-nicht-gut-drauf“-Phase verweilt. Jenes pubertäre Stadium wirkt auch sehr überzeichnet und da Helene Hegemann vermutlich selbst nie mit Drogen in Kontakt gekommen ist, bezweifle ich, dass „Axolotl Roadkill“ nichts anderes als Prosa ohne jeglichen authentischen Hintergrund ist. Ich persönlich hätte möglicherweise das Buch gelesen, wenn ich jene Details um die Autorin nicht gekannt hätte und wenn Helene Hegemann einen anderen, authentischeren Stil benutzt hätte.