Sonntag, 19. Juni 2011

50 Post - wenn da keine Erwartungen vorhanden sind

Erwartungen sind etwas, das man nicht haben sollte. Oder eben doch? Wenn Erwartungen in Ordnung sind, dann wären meine an meinen Austausch folgende:

• Spracherwerb: Englisch und all seine Feinheiten mir zu Eigen zu machen, ist das Hauptziel. Obwohl mir viele Sprachen gut gefallen, stach Englisch immer heraus, was schwierig zu erklären ist. Eleganz? Das gewisse Dandyhafte? Benennen könnte ich es nicht, doch es fasziniert mich, und ich darf wohl annehmen, dass ich am Ende des Austauschjahres die Sprache mehr oder minder gut beherrsche.

• Neue Banden: Da wäre zum Beispiel die Familie, von denen ich schon Photos und Informationen erhalten habe. Sympathisch und aufgeschlossen, so, wie ich sie mir gewünscht habe. Das lässt natürlich noch keine Rückschlüsse auf ihren wahren Charakter zu, denn wer weiss, vielleicht werde ausgerechnet ich eine dieser Austausch-Horrorgeschichten erleben. Doch trotzdem steigern die fröhlich lächelnden Gesichter meine Vorfreude. Auch neue Freunde kennen zu lernen – dies vermutlich vor allem in der Schule – steht zuoberst auf meiner imaginären To-Do-Liste. Diese Erwartung ist wohl vermutlich nicht zu hoch gesteckt, nur vielleicht von der Dauer dieser Beziehung sollte ich besser keine allzu genaue Idee haben.

• Das Land kennen lernen: England ist gross und – jedenfalls für mich – unbekannt. Der erste Besuch der Insel wird auch gleich der vorerst längste sein. Da ich in South East England und nicht weit von London entfernt leben werde, erhoffe ich mir durch den guten Anschluss ans Bahnnetz verschiedene Teile und Städte Englands entdecken zu können. Dies wird von meiner Gastfamilie abhängig sein, doch da diese in ihrer Beschreibung sich als reisefreudig beschrieben haben, mache ich mir darüber keinen grossen Kopf. Je nachdem bekomme ich auch die Möglichkeit, London bei Tagesausflügen zu besichtigen und auch einmal bei Camilla vorbeizuschauen ;).

• Einen Einblick gewinnen: Tourist sein ist toll. Alte Grabstätte anzusehen, dabei ein Süssgetränk in der einen und das Beiheft in der anderen Hand zu halten macht Spass, doch den wirklichen Einblick in die Kultur und Lebensweise des Volkes bekommt man so nicht. Eben das erhoffe ich zu entdecken, dieses Erlebnis einer anderen Lebensart, anderen Haltung, andere Ideen ... Dieses Gebiet ist so unerschöpflich, dass ich mir da keine Angst machen muss, dass irgendwelche Erwartungen nicht erfüllt werden, denn: Ich habe gar keine definierten.

• Stereotypen „abzubauen“: Engländer sind arrogant, sie trinken alle gern Tee und sind nebenbei noch trinkfest. Tja, leider nicht, und so freue ich mich, offensichtliche und auch subtilere Klischees der Engländer abbauen werden zu können. Je nachdem wird die mehr oder weniger sanft geschehen, doch der Endeffekt wird garantiert nachhaltig sein.

Erwartungen über Erwartungen, und ich könnte noch viele weitere, detailiertere aufzählen, doch ich glaube die Quintessenz schon gefunden zu haben: Eine Erwartung, wie realistisch erfüllbar sie auch sein mag ist gut, solange sie nicht den Wunschgrad übersteigt. Damit meine ich, dass wenn man zu hohe Erwartungen hat, dass, egal wie toll es schlussendlich auch sein mag, nie genau der Erwartung entsprechend ausfällt, was oft unangenehm und enttäuschend ausfallen kann. Doch dieser Gefahr kann ich ohne Aufwand ausweichen, da vieles, was ich erleben werde, mir noch gar nicht wirklich vorstellen kann. Somit sehe ich meinem Austausch mit einer freudigen Erwartung (halt – nicht eher Unwissen?) entgegen und bin aber trotzdem auch wegen der Abreise ein bisschen melancholisch gestimmt. Denn Erwartungen hin oder her: Ich lasse für ein Jahr alles mir Bekannte zurück.